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Location Tracking

Über die Vorteile, den eigenen Aufenthaltsort aufzuzeichnen.

Immer wieder sind Leute entsetzt, wenn ich ihnen erzähle, dass ich meine Geolokation INS INTERNET stelle. Automatisiert. Da können dann ja andere Leute jederzeit sehen, wo ich mich aufhalte!

Jo.

Und das ist immer so, bei jedem. Zumindest, wenn man ein Mobiltelefon bei sich trägt. Mindestens der Netzprovider, also die liebe Telekom, Vodafone oder O2 – und damit letztlich auch der Staat – wissen jederzeit, wo sich ein aktives Mobiltelefon (und höchstwahrscheinlich sein Besitzer) aufhalten.

Smartphonebesitzer liefern ihre Daten außerdem noch – bewusst oder unbewusst – bei Apple und/oder wahlweise auch Google ab. Hier sei etwa an Locationgate erinnert. Die Ortung des Smartphones funktioniert nur so gut, weil die Geräte fleißig GPS-Koordinaten und in der Nähe befindliche WLAN-Netze miteinander in Verbindung bringen und speichern – andernfalls müsste man jedes Mal, wenn man die eigene Position sehen möchte, rund eine Minute auf die GPS-Satelliten warten.
Die Live-Stau-Ansicht in Google und Apple Maps funktioniert nur, weil Google und Apple feststellen, wenn sich plötzlich eine größere Zahl iPhones oder Android-Telefone auf einer Autobahn nicht mehr oder nur noch langsam bewegen.
Find my iPhone und der Android Device Manager funktionieren nur, weil Google und Apple wissen, wo die Geräte sind.

Diese Daten sind also vorhanden. Warum also nicht auch selbst nutzen? Bei genauerer Betrachtung ergeben sich in diesem Bereich nämlich etliche faszinierende Anwendungsfälle.

Zunächst einmal ist es unglaublich praktisch, auch nach einem halben oder sogar mehreren Jahren noch nachvollziehen zu können, wann man wo war. Das ist zum einen eine Art automatisches Tagebuch, zum anderen eine praktische Möglichkeit, um Fragen zu beantworten, auf die es sonst kaum eine verlässliche Antwort gäbe. Beispiel 1: Seltsame Abbuchungen auf dem Kontoauszug. Einfach mal nachsehen, wo man an dem Tag war. Beispiel 2: Wann war ich eigentlich das letzte Mal in …? Einfach mal nachsehen. Beispiel 3: Wieviel Zeit verbringe ich eigentlich bei der Arbeit/Zuhause/Unterwegs? Einfach nachschauen. Beispiel 4: Wann kam ich eigentlich gestern nach Hause? Einfach nachsehen.
Und so lässt sich die Liste fast endlos erweitern. Nicht zuletzt ist es natürlich ein Traum für jeden Statistik-Nerd (und wer ist das nicht, zumindest insgeheim?).

Einen weiteren interessanten, wenn auch etwas kritischeren Anwendungsfall ergibt sich im Freigeben der eigenen Position für Dritte. Zunächst einmal lassen sich 80% eigentlich unnötige Telefonate und Kurzmitteilungen, in denen es nur um die Fragen „Wo bist du?” bzw. „Wann kommst du?“ geht, einsparen. Wenn sich jemand verspätet, muss dieser sich weder melden, noch muss man unbedingt warten – man sieht einfach, wann er da ist, und kann sich beispielsweise selbst noch etwas Zeit lassen. Natürlich lässt sich mit dieser Funktion auch wunderbar Stalking betreiben. Aber man kann ja auswählen, dass eben nicht jeder die eigene Position sieht – sondern etwa nur gute Freunde oder Familienmitglieder. Und natürlich kann diese Funktion auch ein gewisses Maß an Sicherheit bringen, wenn mal etwas passiert.

Google Standortverlauf

Den bekanntesten und wohl auch einen der ältesten Location-Dienste bietet Google an. Bislang unter dem Namen Google Latitude bekannt, wurde der Dienst leider Anfang August eingestellt; zumindest unter dieser Bezeichnung. Es ist geplant, die Funktionalität in Google+ zu integrieren. Dies ist leider erst teilweise geschehen und so gibt es derzeit keine Möglichkeit (mehr), von iOS-Geräten aus die Position zu loggen. Zwar ist ein Update für die Google+-App angekündigt, dieses steht aber noch aus. Unter Android ist die Funktion bereits zu finden.
Der Verlauf ist hübsch aufbereitet, bietet einige Statistiken und die Daten lassen sich als KML exportieren. Er ist nicht öffentlich. Die jeweils aktuelle Position kann Freunden über Google+ freigegeben werden.
Google+ (Android) | Google+ (iOS)

Find my Friends

Die Alternative zu Latitude von Apple findet sich in der Find-My-Friends-App. Zwar gibt es hier keinen Verlauf, doch die aktuelle Position kann Freunden entweder permanent oder für einen gewissen Zeitraum freigegeben werden. Dabei ist die Position etwas aktueller als bei Google, da offenbar bei einer Ortungsanfrage eine (versteckte) Push-Notification an das zu ortende Gerät geschickt wird, anstatt dass darauf gewartet wird, dass das Gerät sich von selbst meldet. Es lassen sich außerdem Benachrichtigungen einstellen, wenn Freunde sich zu einem Ort hin oder von einem Ort weg bewegen. Anwendungsfall: „Benachrichtige mich, wenn meine Freunde sich auf 100m zu meinem Wohnort nähern“.
Find my Friends (iOS)

Geofency

Die Business-Variante: Geofency (grafisch leider alles andere als fancy) lässt den Nutzer Orte definieren, von denen die dortige Aufenthaltszeit aufgezeichnet wird. Die Zeiten lassen sich kumulieren und als CSV exportieren. Der Hauptanwendungsfall ist die automatische Zeiterfassung – praktisch beispielsweise für Handwerker oder Freelancer. Jedoch muss jeder Ort, für den eine Zeiterfassung vorgenommen werden soll, manuell zuvor eingetragen werden.
Geofency (iOS)

Moves

Die wohl mit Abstand schönste, aber auch stromhungrigste App. Sie ist Schrittzähler und Location Tracker in einem und verbindet so den Geolocation-Aspekt mit dem Quantified-Self-Aspekt. Sie zeichnet nicht nur auf, wann man wo ist, sondern auch, wieviel und auf welche Weise man sich bewegt. Abgerundet wird sie mit einer Foursquare-Anbindung, die zuverlässige Bezeichnungen für Orte liefert, an denen man sich aufhält. Außerdem wird eine API zur Verfügung gestellt.
Unter iOS 7 funktioniert Moves derzeit leider noch nicht, jedoch dürfte sich dies mit einem Update zur Veröffentlichung von iOS 7 vermutlich erledigt haben.
Moves (iOS)

Schlusswort

Natürlich sollte jeder selbst entscheiden, ob überhaupt – und wenn ja, wem er seine Location freigibt. Unbedarften Smartphone-Nutzern die Funktion einfach anzuschalten, ist einfach nur böse. Zumal die meisten wohl, wenn sie sich etwas mit der Thematik auseinandersetzen, selbst darauf kommen, wie praktisch diese Aufzeichnung und Freigabe sein kann und in welch wunderbarer Zeit wir leben, dass wir solche Technologie zur Verfügung haben.