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Blick aus dem Fenster – Der Vista Test

Zugegeben, meine Erwartungen an Windows Vista waren ziemlich hoch. Sollte es doch all die tollen Features beinhalten, auf die der […]

Vista LogoZugegeben, meine Erwartungen an Windows Vista waren ziemlich hoch. Sollte es doch all die tollen Features beinhalten, auf die der XP-User schon so lange wartet. Zum Beispiel die 3D-Oberfläche „Aero“.

3D? Wo?

Vista-DesktopLeider machte sich nach der Installation (die übrigens relativ problemlos verlief) Ernüchterung breit. Es sah zuersteinmal aus wie XP mit einer neuen grafischen Oberfläche. Umgehend machte ich mich auf die Suche nach dem Aktivierungsbutton für das 3D-Aero-Theme in der Systemsteuerung – um schließlich festzustellen, dass es bereits aktiv war. Eher durch Zufall entdeckte ich dann den kleinen, neuen Button in der Schnellstartleiste, dessen Druck bewirkt, dass ich alle geöffneten Fenster „dreidimensional“ gestaffelt sehe. ProgrammumschalterIst aber auch nichts anderes als der bekannte Alt-Tab-Programmumschalter, nur netter grafisch aufbereitet. Die andere Besonderheit des neuen Themes ist, dass Fenster halbtransparent sind – und man die darunterliegenden verschwommen durchscheinen sieht. Sieht hübsch aus.

Classic-ThemeKonservative Benutzer können aber auch weiterhin den klassischen Windows-Stil wählen, womit sich Vista im Windows-2000-Stil gibt.

Einige Teile des Windows-Systems wurden in Vista wohl zum ersten Mal seit 1995 überarbeitet. So kommt es, dass die Zahl der Veränderungen gegenüber dem Vorgänger-Windows die Größte in der bisherigen Geschichte des Redmonder Betriebssystems ist. Sehr vieles wurde neu angeordnet und natürlich neu designt. Zum Beispiel auch die Struktur der Systemsteuerung. Es erfordert einiges an Einarbeitung, alle Funktionen zu finden. Der Umfang scheint sich jedoch ausgeweitet zu haben, man entdeckt immer mal wieder eine neue Registerkarte oder eine neue Schaltfläche.

Der Blick durchs Fenster

Der Blick durch die Fenster

Ebenfalls überarbeitet wurde das Sicherheitssystem. Es gibt keinen Administrator mehr, stattdessen wird bei „systemkritischen“ Eingriffen die Autorisation eines Benutzers mit Administrationsrechten benötigt – wie z.B. bei Ubuntu üblich. Was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, erweist sich bei näherer Betrachtung als sinnlos. Hat man kein Kennwort spezifiziert, benötigt man lediglich einen Klick mehr um „systemkritische“ Änderungen durchzuführen. Da die Definition eines solchen Eingriffs bei Vista sehr weit gefasst ist, bekommt man andauernd diese Autorisationsbestätigung zu sehen. Es ist anzunehmen, dass die meisten Benutzer diese Warnungen einfach abklicken werden ohne viel nachzudenken – wodurch der ursprüngliche Sinn dieses Systems (den User vor ungewünschten Änderungen am System zu schützen) verloren geht und sich die Bedienung des Systems nur etwas verkompliziert.

Revival der Kommandozeile

StartmenüDie starken Seiten von Vista liegen im Detail. So ist es nun endlich möglich, ohne das umständliche, manuelle Anlegen von Batchdateien Programme per Kommandozeile zu starten. Diese verbirgt sich hinter dem Suchfeld im Startmenü – schon während der Eingabe werden potentielle Suchergebnisse angezeigt. Ich gebe also nur z.B. „pain“ ein und drücke Enter – schon öffnet sich das einfache Bildbearbeitungsprogramm Paint. Alles in allem ein sehr nettes und praktisches Feature, das mit Apples Spotlight mithalten kann. Umständliches Navigieren nach dem richtigen Programm oder der richtigen Datei entfällt.

Windows-ExplorerEbenfalls verbessert wurde der Windows-Explorer, auch wenn die Änderungen hier im Detail liegen. Schade ist, dass standardmäßig noch immer Dateiendungen einfach ausgeblendet werden. Überzeugen kann jedoch die neue Navigationsstruktur. Wie man es von Webseiten her kennt, wird oben genau angezeigt, wo in der Ordnerstruktur man sich befindet. Navigation im ExplorerEin Klick auf einen übergeordneten Ordner öffnet selbigen. Dies wurde auch in den Öffnen- und Speichern-Dialogen übernommen, was insgesamt eine schnellere Bedienung ermöglicht.

Windows-FotogalerieDie „Windows Bild- und Faxanzeige“ wurde zu einer Fotoverwaltungssoftware ausgebaut, die etwas an Picasa erinnert. Rudimentäre Bildbearbeitungsfunktionen sind ebenso enthalten wie die Möglichkeit, Bilder mit Tags zu versehen. Leider lässt sich die Windows-Fotogalerie aber nicht zur Zusammenarbeit mit Flickr überreden.

SidebarAußerdem hat Microsoft seinem neuen Windows eine Widget-Engine spendiert, die sich „Windows Sidebar“ nennt und insgesamt nicht so überzeugend daherkommt wie beispielsweise Apples Dashboard. Es ist leider weder dem Messenger noch dem Media Player möglich, sich in die Sidebar zu integrieren. Das RSS-Feedreader-Widget liest nur Microsoft-Feeds und lässt sich nicht nach eigenen Wünschen einrichten. Die Sidebar lässt sich außerdem nur durch einen Klick durch ein kleines Symbol in der Taskleiste einblenden und nicht etwa, indem der Mauszeiger an die rechte Bildschirmseite geführt wird. Einige Programme, wie das WordPad und der Editor, wurden aber scheinbar überhaupt nicht angerührt. So beherrscht der Editor noch immer kein Syntax Highlighting und speichert standardmäßig in ANSI anstatt UTF-8. Solitaire ReloadedDabei hat sogar Solitaire nach 12 Jahren immerhin mal ein neues Design bekommen. Interessant sind insbesondere der Internet-Explorer 7 sowie der Media Player 11, die übrigens beide auch für Windows XP kostenlos erhältlich sind.

IE 7Der Internet-Explorer wagt den kläglichen Versuch, mit FireFox, Opera und Safari mitzuhalten. So beherrscht er nun endlich auch tabbed Browsing – öffnet aber immer noch mit Vorliebe neue Browserfenster. HTML wird leider immer noch nicht richtig unterstützt, was auf vielen Webseiten zu Anzeigefehlern führt. Dies ist auch schön am Acid2-Test erkennbar (siehe Screenshot).

Windows Media Player 11Beim Media-Player hat sich wenig verändert. Im Vergleich zur XP-Version präsentiert sich die Oberfläche hier ebenfalls im Aero-Glass-Stil. Interessanterweise verträgt er sich nicht mit dem Windows Media Center – wenn der Media Player läuft und man das Mediacenter-Programm startet, ruckelt letzteres und ist beinahe unbedienbar.
Bei der Hardwareunterstützung scheint sich auch wenig verändert zu haben. Zwar wurde mein Canon-Drucker problemlos erkannt, doch wusste XP beispielsweise nichts mit meinem Bluetooth-Stick anzufangen. Ein Bluetoothdiensteprogramm sollte in der Zeit von bluetoothfähigen Mobiltelefonen eigentlich zum Standard gehören. Auch die über USB angeschlossene FritzBox wurde erst nach Einlegen einer Treiber-CD in Betrieb genommen.
Als Hauptnachteile von Vista werden neben den hohen Systemvoraussetzungen insbesondere die eingebauten Spionage-Tools sowie die Probleme bei der Installation von älteren Programmen genannt. Da ich kaum Programme installiert habe, kann ich dazu nicht aus Erfahrung sprechen. Dass Microsoft sich nach wie vor sehr interessiert an personenbezogenen Daten zeigt und keine Hemmungen hat, genauestens zu überprüfen, was der Anwender an seinem Computer tut und was für Dateien er besitzt oder was für Webseiten er besucht, ist schon an einer kleinen, aber feinen Änderung bei der Einrichtung des Windows Media Players zu erkennen: wählt man die empfohlenen Standardeinstellungen, sendet der Media Player fröhlich Informationen über die abgespielten Dateien. Wohin, weiß wohl nur Microsoft.

Interessant ist in diesem Kontext auch die Tatsache, dass Microsoft bei der Entwicklung von Windows Vista offenbar Unterstützung des amerikanischen Geheimdienstes NSA hatte…

Fazit

Mit Windows Vista versucht Microsoft, seinen Rückstand auf dem Betriebssysteme-Markt aufzuholen. Es enthält daher einige Features, die wir schon von Linux und OSX kennen, außerdem wurden einige schon lange notwendige Verbesserungen endlich durchgeführt, die das Arbeiten mit dem System etwas komfortabler gestalten. Das neue Design ist hübsch – von einer „3D-Desktopumgebung“ kann man dabei aber nicht sprechen.
In Anbetracht der etlichen Nachteile im Bereich der Privatsphäre und Unterstützung für ältere Software fällt es mir schwer, einen Umstieg auf Windows Vista zu verstehen. Meiner Meinung nach ist Windows XP noch immer das beste Windows aller Zeiten, was wohl auch daran liegt, dass es nach fünf Jahren auf dem Markt endlich annähernd als „ausgereift“ bezeichnet werden kann. Es gibt momentan nichts, was einen Umstieg von XP auf Vista rechtfertigt. Das neue Design lässt sich in ein paar Handgriffen auch beinahe vollständig auf XP installieren und für einige andere Funktionen gibt es Tools, die XP damit nachrüsten.

Trotzdem wird man nichts dagegen tun können, dass neue PCs mit vorinstalliertem Vista ausgeliefert und zukünftige Computerspiele nur auf Vista laufen werden – schließlich kündigte Microsoft bereits an, dass es die Spieleschnittstelle Direct X 10 nicht mehr für Windows XP geben wird. Wer diese spielen möchte, muss also zwangsläufig auf Vista umsteigen.

Es lebe die freie Marktwirtschaft.