Meine Verweigerung
Möchte man den Kriegsdienst verweigern, muss man sich zwar heute nicht mehr persönlich rechtfertigen, es wird aber eine ausführliche schriftliche […]
Möchte man den Kriegsdienst verweigern, muss man sich zwar heute nicht mehr persönlich rechtfertigen, es wird aber eine ausführliche schriftliche Begründung verlangt, die erklären soll, warum man es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, Kriegsdienst zu leisten. Ist man religiös, ist das gar nicht so schwierig. Da ich das aber bekanntermaßen nicht bin, musste ich andere Gründe finden.
Es folgt die komplette Begründung meiner Verweigerung, die vielleicht auch anderen als Beispiel für ihre eigene Verweigerung dienen kann.
Darlegung meiner Beweggründe zur Kriegsdienstverweigerung
In Artikel 4, Absatz 3, Satz 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist festgelegt:
„Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“
Von diesem Grundrecht möchte ich Gebrauch machen, da ich es nicht mit meinem Gewissen, meiner Weltanschauung, meiner Erziehung, meinen Grundwerten und meinem Verstand vereinbaren kann, zum Kriegsdienst ausgebildet zu werden.
Es ist wohl das stärkste menschliche Grundbedürfnis, zu leben und zu überleben. Diesem Grundbedürfnis dient auch das Gefühl des Schmerzes. Besteht die Gefahr, dass der Körper nachhaltig verletzt wird, entsteht Schmerz. Wer schon einmal Schmerz erlebt hat, weiß, wie unangenehm das ist, und dass man alles daran setzen wird, diesen Schmerz zu beenden. Dieses Verhalten, überleben zu wollen und infolgedessen Schmerz zu verhindern, entspricht vollkommen der menschlichen Natur.
Viele Jahre lang lebten die Menschen so – sie versuchten, zu überleben und zu verhindern, dass ihnen Schmerzen zugefügt werden. Dabei waren sie jedoch noch nicht in der Lage, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, und schützten sich selbst – sogar, indem sie anderen Menschen Schmerzen zufügten. Dies führte zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, zu Kriegen, ja sogar zu Völkermord und Ausrottungen ganzer Volksstämme. Also im Ganzen betrachtet entgegen dem obersten menschlichen Grundbedürfnis, zu überleben.
Irgendwann bemerkten die Menschen diesen Widerspruch, und begannen, sich Gedanken über ihre Mitmenschen zu machen. Einige jedenfalls. Daraus entwickelte sich die Idee, die auch in unserem Grundgesetz zu finden ist (Artikel 1, Absatz 1, Satz 1):
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Dies schreibt fest, dass jeder Mensch schon alleine durch seine Existenz schützenswert ist. Dazu gehört auch, dass kein Mensch verletzt oder getötet werden darf.
Meine Eltern legten stets großen Wert darauf, mir diese Werte zu vermitteln. Sie leiteten mich an, Achtung vor Leben zu bewahren. Dazu gehört natürlich nicht nur die strikte Ablehnung von Gewalt und Krieg, sondern auch die Ablehnung, Fleisch zu essen. Daher bin ich noch heute Vegetarier. So kann ich es mir weder vorstellen, in den Krieg zu ziehen und Menschen zu töten oder dazu ausgebildet zu werden, noch, auf Jagd zu gehen und Tiere zu töten.
Leider gehört Gewalt und Krieg heute noch immer zum Alltag, dies stellt jeder fest, der nicht mit ganz verschlossenen Augen die alltägliche Medienflut aufnimmt. Täglich sehe ich, wie Menschen auf den vielen Kriegsschauplätzen in der ganzen Welt sterben müssen. Geht der Krieg, bleibt das Elend. Zerstörte Infrastruktur, verlorene Arbeitsplätze und vor allem viele Kriegsopfer stellen die oft schwer verwundeten Hinterbliebenen vor Probleme, die im 21. Jahrhundert eigentlich der Vergangenheit angehören sollten. Wer schon einmal den Tod eines nahen Angehörigen erlebt hat, wird vielleicht gerade einmal ansatzweise eine Vorstellung davon bekommen können, welche psychische Belastung der Verlust eines Großteils der eigenen Familie und des Freundeskreises darstellen würde. Hinzu kommt das soziale Elend, an dem die Menschen in und nach einem Krieg zu leiden haben, wenn sie alles verloren haben. Hier kann man sehen, welchen Stellenwert Leben und Überleben wirklich hat.
Krieg verursacht dieses Elend. Krieg ist in erster Linie immer noch bewusstes, systematisches Töten und Zerstören. Soldaten haben zwar auch friedliche Aufgaben, doch gehört das Töten von Menschen in einem Krieg definitiv dazu. Die Ausbildung zum Soldaten umfasst daher unweigerlich auch die Ausbildung zum systematischen Töten von Menschen und führt letztlich dazu, dass ein Mensch lernt, zu töten und Elend und Verderben zu bereiten. Dies kann ich, wie oben ausgeführt, nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.
Natürlich führt man als Soldat nur Befehle aus – doch dies umfasst für mich nicht die Möglichkeit, die Verantwortung vor dem Gewissen auf die Vorgesetzten abzuwälzen. Ich kann mir nicht vorstellen, jemanden auf Befehl zu töten und dafür jemand anderes außer mich persönlich vor meinem Gewissen verantwortlich zu machen. Daher ist es mir nicht möglich, zu töten, und daher möchte ich mich auch nicht dazu ausbilden lassen.
Auch eine Ausbildung in einem eher gewaltfreien Bereich, z.B. als Sanitäter bei der Bundeswehr, kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Schließlich hat man als solcher die Aufgabe, die ganze Maschinerie am Laufen zu halten, indem man verwundete Soldaten pflegt, damit sie wieder töten können.
Gewalt ist keine Lösung – das habe ich schon als Kind gelernt und erfahren. Genauso habe ich gelernt, dass es das schwerste Verbrechen ist, jemanden zu ermorden. Beim Blick in die Geschichte, aber auch in die Gegenwart, sieht man, wozu Gewalt und Krieg führt. Die unzähligen Berichte über die Katastrophe des zweiten Weltkriegs und insbesondere mein Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Dachau stärkten meine konsequente Ablehnung von Krieg mit allen seinen Konsequenzen zusätzlich.
Gerade wir in Deutschland sollten doch unsere Lektion mittlerweile gelernt haben und eher eine Vorbildfunktion für andere Staaten innehaben, als uns an deren Kriegen aktiv zu beteiligen.
Da finde ich es geradezu absurd, dass in einem Land, in dem Menschenrechte eigentlich groß geschrieben werden, plötzlich ein Unterschied gemacht wird zwischen Töten auf Befehl als Soldat und Töten im privaten Bereich. Dass trotz der Erfahrungen in der Vergangenheit eine Armee besteht. Dass gewaltsame Konfliktlösung immer noch als Möglichkeit angesehen und praktiziert wird. Dass immer noch Menschen zum Töten anderer Menschen ausgebildet werden. Dass junge Männer (und nur Männer) genötigt werden, diese Ausbildung über sich zu ergehen lassen.
Dies alles steht im Widerspruch zu unseren Grundrechten und zum gesunden Menschenverstand. Trotzdem Kriegsdienst zu leisten und dadurch diese Maschinerie zu unterstützen und letztlich zu lernen, andere Menschen mit voller Absicht und möglichst effektiv zu töten, kann ich definitiv nicht mit meinem Werteverständnis, meinem Verstand und vor allem meinem Gewissen vereinen.
Daher verweigere ich den Kriegsdienst an der Waffe unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung nach Artikel 4, Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes.
In Bezug auf diesen Text möchte ich nochmals auf die Lizenzbedingungen des Inhalts dieses Blogs hinweisen.