Ins StudiVZ (anstatt ins soziale Abseits)
Ich habe mich immer erfolgreich dagegen gewehrt, Mitglied von StudiVZ zu werden. Bis zum Wochenende. Die Langeweile war wohl zu […]
Ich habe mich immer erfolgreich dagegen gewehrt, Mitglied von StudiVZ zu werden. Bis zum Wochenende. Die Langeweile war wohl zu groß… jedenfalls bin ich jetzt auch bei dem Zirkus zu finden.
Meine bisherigen Vorbehalte dagegen („Jeder-weiß-alles-über-jeden“-Politik; Richtige Namen; Datensammelwut; E-Mail-Benachrichtigungsspam; aggressives Design; dumm klingender Name) wurden kurzerhand unterdrückt und einige waren nach der Registrierung auch hinfällig. Beispielsweise finde ich das mit den richtigen Namen nicht mehr so schlimm. Und die E-Mail-Benachrichtigungen lassen sich deaktivieren. Erfreulich ist auch, dass ich zumindest einstellen kann, dass nicht jeder beliebige Besucher mein komplettes Profil sieht und dass ich verhindern kann, dass es angezeigt wird, wessen Profil ich angesehen habe.
Aber warum habe ich mich nun wirklich angemeldet?
Tatsächlich sah ich mich beinahe dazu genötigt. Allerorts wird man gefragt „Bist du auch bei Studi?“ – eine Verneinung löst beim Fragenden meist Irritation und Schubladendenken aus. Tatsächlich ist es so, dass es in ICQ etc. in letzter Zeit immer ruhiger wird, es ist ganz klar eine Abwanderung von etablierten Systemen wie Instant Messaging hin zu Communities wie StudiVZ zu beobachten. Man fühlt sich beinahe ausgegrenzt, wenn man sich nicht der Masse anschließt und wild in der Gegend herumgruschelt. Nachdem ich dann freundlicherweise die Gelegenheit bekommen habe, mir einen StudiVZ-Account „von innen“ anzusehen, stand meine Entscheidung eigentlich schon fest. Und jetzt, da ich dabei bin, bleibe ich wohl auch dort (obwohl Abmelden einfacher geht als bei Facebook). Wer will, findet mich und darf mir auch gerne einen Freundschaftsantrag stellen. Und ja, ich bin unter meinem richtigen Namen angemeldet.
Aber wie ist es nun? Meine Bewertung…:
- Die Atmosphäre ist angenehmer als ich dachte. Das von Microsoft-Produkten bekannte „Wir sind böse, unsere User interessieren uns einen Dreck und das lassen wir auch raushängen“-Gefühl stellt sich wider erwarten nicht ein, obwohl letztlich eine vergleichbare Philosophie dahintersteckt. Man fühlt sich fast wohl auf der Seite, auch wenn das Rot doch sehr gewöhnungsbedürftig ist.
- Die Bedienung ist komfortabel. Alle Funktionen sind selbsterklärend und intuitiv zu finden. Wo man eine Funktion braucht, ist auch ein Link zu ihr. Dass die Privatsphäreeinstellungen so versteckt sind, dass sie kaum jemand findet, wie vielerorts kritisiert, kann ich nicht bestätigen.
- Zur Werbung bzw. deren Aufdringlichkeit kann ich nichts sagen. Mein Werbeblocker funktioniert zuverlässig – ich habe noch kein einziges Werbebanner entdeckt. Personalisierte Werbung ist natürlich trotzdem deaktiviert.
- Der Funktionsumfang ist – gelinde gesagt – armselig. Ich hatte mir sehr viel mehr erwartet. Zum Beispiel lässt sich das Profil kaum personalisieren. Man hat nirgends eine Übersicht, was seine „Freunde“ gerade treiben. Die Stärke einer Freundschaft lässt sich nicht spezifizieren. Bei manchen Angaben muss aus den vorgegebenen Optionen gewählt werden. Besonders fehlt mir die Möglichkeit, RSS-Feeds im Profil anzuzeigen sowie Benachrichtigungen per RSS-Feed oder Instant-Messenger zu empfangen. Die einzige Möglichkeit besteht darin, sich E-Mails zusenden zu lassen. Zumindest per IM wäre aber wirklich kein Problem und ich weiß wirklich nicht, warum eine solche Funktion fehlt.
- Es wird zwar angezeigt, wie man jemanden kennt (Freund von Freund etc.), jedoch nur eindimensional. Hier wäre eine mehrdimensionale Visualisierung schön, die genau anzeigt, mit wem meiner Freunde eine Person befreundet ist (stattdessen wird bei mehreren ein beliebiger ausgewählt).
- Es gibt keine Applications wie bei Facebook. Jedoch soll sich das ändern – ich bin gespannt.
- Es gibt keine (!) mobile Version der Seite oder zumindest ein für mobile Endgeräte angepasstes Design.
- Und zuletzt der einzige Grund, der wirklich ausschlaggebend dafür ist, StudiVZ zu benutzen*: Kein anderer Dienst hat so viele Nutzer. Locker 90% der Menschen in meinem Alter finde ich bei StudiVZ. Tatsächlich habe ich noch niemanden, den ich gesucht habe, nicht gefunden. Das ist einerseits beängstigend, andererseits aber schon auch cool.
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*natürlich sollten einem immer die Auswirkungen seines Handelns bewusst sein. Wer mit seinem Drogenkonsum angeben will, ist selbst schuld. Und dass die Privatsphäreeinstellungen nur vordergründig nutzen, versteht sich auch von selbst.
Dazu habe ich ja schon mal was geschrieben, daher gehe ich darauf in diesem Beitrag nicht mehr ein.