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Nun kam es doch schneller als gedacht: Google+, das neue Social Network von Google. Seit gestern nachmittag habe ich nun […]

Nun kam es doch schneller als gedacht: Google+, das neue Social Network von Google.

Seit gestern nachmittag habe ich nun auch Zugriff darauf. Und: es erfüllt alle Erwartungen. Es bietet mehr oder weniger die gleichen Features wie Facebook – in hübsch. Beispiel: Circles. Letztlich nichts anderes als Facebooks Listen, allerdings mit einer UI, die dafür sorgt, dass sie auch benutzt werden. Um Dinge mit bestimmten Circles zu teilen, muss man sich nicht umständlich durch mehrere Popups klicken, stattdessen ist vorgesehen, grundsätzlich bei jedem Inhalt, den man veröffentlicht, direkt die Circles anzugeben, für die er sichtbar sein soll. Der klassische Fall der für den Chef sichtbaren Unmutsäußerung bezüglich der Arbeitsstelle dürfte dadurch recht selten eintreten.

Interessant ist die Definition der „Freundschaft“. Anstatt Freundschaftsanfragen zu stellen, gibt es wie auf Twitter ein einseitiges System. Wenn mich jemand interessiert, folge ich ihm (indem ich ihn in einen Circle werfe). Er wird darüber benachrichtigt; wenn ich ihn auch interessiere, kann er mich ebenfalls in einen Circle werfen, was dann einer „Freundschaft“ entspricht.

Durch dieses Prinzip kann man mit seinen Beiträgen, die man öffentlich postet, eine beeindruckende Reichweite erlangen, ohne alle Leute in seine Freundesliste aufnehmen zu müssen (soetwas wie Facebook nur mit Seiten bietet).

A propos Seiten: momentan scheint es nicht möglich zu sein, Seiten für ein Unternehmen o.ä. anzulegen. Und das ist mitnichten ein Nachteil. Facebooks Seiten-Konzept passt einfach nicht zu Googles Philosophie: Google möchte kein „Parallel-Internet“ erschaffen, wie Facebook es tut. Hier kommt +1 ins Spiel, Googles Like-Button. Jede Internetseite kann pluseinst werden. Anstatt für sein Unternehmen also eine extra Facebook-Seite anzulegen, wird die normale Website genutzt.

Der andere Aspekt der Facebook-Seiten ist die Möglichkeit für Unternehmen, Informationen an „Fans“ zu bekommen. Auch das bietet Google+ – allerdings in einem sehr viel offeneren, besser zum Internet passenden Ansatz: Durch das Anlegen von „Sparks“ erhält man aktuelle Informationen zu einem bestimmten Thema. Diese Informationen generiert Google durch seine Erfahrung bei Google News automatisch. Ein Unternehmen postet also einfach auf seiner Website Neuigkeiten, Google+-Nutzer, die einen entsprechenden Spark angelegt haben, werden dann so darauf hingewiesen. Dadurch wird Googles allmächtiges Rating-Werkzeug, der Pagerank, erstmal weiter gefördert.

Andererseits entsteht durch die Einbindung von +1 in die normale Google-Suche eine Art personalisierter PageRank. Suche ich zu einem Thema, werden Ergebnisse, die Freunde pluseinst haben, entsprechend höher gerankt. Suche ich also beispielsweise nach einer Seite mit guten Photoshop-Templates, muss ich mich nicht durch die ersten fünf SEO-verseuchten Müllseiten wühlen, sondern sehe direkt die Seite, die auch meine Freunde schon gut fanden. Google fördert also nichts anderes als gute Inhalte.

Nicht nur die Suche, auch die anderen Google-Produkte arbeiten eng mit Google+ zusammen. Der Google+-Chat ist nichts anderes als Googletalk, bekannt aus Google Mail und mit XMPP auf einem offenen Protokoll basierend. Ein Nachrichtensystem gibt es darüber hinaus nicht: aber, stimmt, Google hat ja auch zufällig den beliebtesten Freemail-Dienst, Google Mail. Veranstaltungen lassen sich auch nicht anlegen. Aber es gibt ja den Google-Kalender, der die gleichen Möglichkeiten in Bezug auf Einladungen bietet wie Facebook – basierend auf dem offenen Protokoll CalDAV. Auch Applikationen gibt es zur Zeit bei Google+ nicht. Aber das wird ja wohl niemand vermissen.

Wir halten also fest: technisch ist Google+ Facebook weit voraus. Aber wir erinnern uns auch an Buzz, was seinerzeit technisch eigentlich auch besser war als Twitter und heute praktisch tot ist beziehungsweise nun irgendwie mit Google+ zu verschmelzen scheint. Warum wurde es nicht genutzt? Weil mit Twitter eigentlich alle zufrieden waren und weil der Datenschutz vernachlässigt wurde.

Mit Facebook ist aber eigentlich niemand zufrieden, und das dürfte vor allem an seinem arroganten Umgang mit Nutzerdaten liegen. Facebook scheint viele Dinge einfach zu machen, weil sie gehen – gerade bei der Zusammenführung von Daten. Ein Beispiel ist die Meldung „X und Y sind nun befreundet, nachdem sie sich bei Veranstaltung Z kennengelernt haben“. Klar, die Daten sind da, und der Informatiker in mir findet die Möglichkeit der diesbezüglichen Auswertung auch spannend. Den Nutzern macht so eine Funktion allerdings nur Angst.

Außerdem tritt Facebook von Natur aus den Datenschutz immer erstmal mit Füßen, wenn der Nutzer das nicht will, muss er sich erst dessen bewusst sein und dann aktiv werden. Und dies wird von Facebook auch mit allen Mitteln versucht, zu verhindern (komplizierte Privatsphäreeinstellungen).

Hoffentlich ist Google hier etwas klüger.

Nun geht es darum, die kritische Masse an Nutzern zu erreichen. Leider ist Google+ derzeit noch nicht wirklich frei verfügbar. Man kann lediglich Dinge mit Leuten teilen, deren eMail-Adresse man hat, dann bekommen diese eine Nachricht und können sich vielleicht anmelden. Vielleicht heißt, dass es erstmal nicht geht, aber eine halbe Stunde später dann schon. Solange das so ist, werden die nicht-technikaffinen Nutzer leider ausbleiben. Schätzungsweise ist diese Invite-Phase aber schon recht bald vorbei, sie muss recht bald vorbei sein, denn ohne ihre anderen Freunde werden die momentanen Nutzer sich schnell langweilen.