Chrome für iOS
Googles Browser jetzt auch auf iPhone und iPad.
Apple erlaubt im iOS-App-Store keine Browserengines, da diese als Sicherheitsrisiko eingestuft werden. Möchte man als App eine Website darstellen, muss man stets die Safari-Webkit-Engine verwenden. Alternative Browser haben es daher naturgemäß schwer. Nun hat Google aber in den sauren Apfel gebissen (haha) und einen mobilen Chrome-Browser für iOS entwickelt, der die Safari-Engine verwendet.
Eine höhere Geschwindigkeit oder Chrome-spezifische Engine-Features wie SPDY kann man folglich nicht erwarten, tatsächlich ist Chrome unter iOS sogar etwas langsamer als Safari, da die schnellere JavaScript-Engine Nitro Apps (noch) nicht zur Verfügung steht. Wohl aber bietet Chrome ein besseres User Interface als Safari.
Zunächst wäre da die Omnibox, die sowohl URL- als auch Sucheingabefeld darstellt, jeweils mit Autovervollständigung. Dieses Feature zieht nun zwar endlich auch in Safari 6 ein, allerdings unverständlicherweise nur auf der Desktop-Version, unter iOS muss man weiterhin darauf verzichten. Sämtliche Bedienelemente sind um diese Omnibox herum angeordnet, ein zusätzliches Menü am unteren Rand des Bildschirms, wie von Safari auf dem iPhone gewohnt, entfällt. In die Omnibox kann außerdem – unabhängig davon, ob das iOS-Gerät Spracheingabe schon unterstützt – hineindiktiert werden.
Auf dem iPhone wird immer nur ein Tab angezeigt, über eine „Tabübersichtstaste“ lassen sich alle Tabs anzeigen, hintereinander aufgereiht. Soweit nur ein kosmetischer Unterschied zu Safari, allerdings lassen sich in dieser Übersicht direkt alle Tabs sehen. Der größte Vorteil ist: ganz ohne die Tabübersicht lässt sich durch eine horizontale Wischgeste zu jeder Zeit zwischen den Tabs umschalten.
Außerdem entfällt das bei Safari fast immer auftretende Neuladen eines anderen Tabs, Chrome kann tatsächlich mehrere Websites parallel offen halten.
Auf dem iPad sind die Tabs in Desktop-Manier ganz oben nebeneinander angeordnet; auch hier kann mit einer horizontalen Wischgeste umgeschaltet werden.
Größter Vorteil aber ist die Synchronisation: wie üblich kann zwischen verschiedenen Chrome-Installationen über den Google-Account synchronisiert werden. So kommen Lesezeichen, zuletzt geöffnete Tabs vom Desktop und vor allem gespeicherte Passwörter (!) auch auf das iOS-Gerät. Im Gegensatz zu Xmarks und Safari-Synchronisation funktioniert das auch. Die meistbesuchten Seiten, die die Neuer-Tab-Seite normalerweise zieren, werden nicht synchronisiert, sondern individuell festgelegt – was durchaus Sinn macht, da man mobil oft andere Websites aufruft als am Desktop (beispielsweise Facebook, das unter iOS eine eigene App hat und praktisch nie im Browser läuft). Auch die Lesezeichen packt Chrome standardmäßig in einen eigenen Ordner „Mobile Lesezeichen“, allerdings sind die „Desktop-Lesezeichen“ direkt daneben zu finden.
Weiteres Feature ist Inkognito-Browsing, auch als „Porno-Modus“ bekannt, wo keine Passwörter, URLs oder Verlaufdaten gespeichert werden. Außerdem bietet Chrome einen Menüpunkt „Desktop-Version anfordern“ an, über den die unsäglichen „mobilen Versionen“ von Websites umgangen werden können. Ironischerweise benötige ich diese Funktion hauptsächlich auf Google-Seiten, beispielsweise bei Latitude, das stets versucht, in die (funktionsärmere) App umzuleiten.
Was fehlt
Im Vergleich zum Desktop-Chrome vermisst man schon einige Funktionen. Zum einen – ebenfalls Apples App-Store-Regeln geschuldet – ist da das komplette Fehlen von Erweiterungen und Plugins. Auf AdBlock oder IPvFoo muss also verzichtet werden (das ist im mobilen Safari allerdings auch nicht anders). Auch die Chrome-Apps gibt es aus dem gleichen Grund nicht, aber die verwendet auch niemand, oder?
Ebenfalls lassen sich keine eigenen Suchanbieter eintragen, es kann lediglich zwischen Google, Bing und zwei historischen Anbietern gewählt werden. Das ist deswegen schade, weil die Google SSL-Suche nicht als Standard eingestellt werden kann, aber auch verschmerzbar.
Mehrere Benutzer, wie sie in Chrome am Desktop angelegt werden können, kennt Chrome unter iOS auch nicht. Hier hält sich Google leider an Apples Philosophie, wonach iOS-Geräte Einzelbenutzergeräte sind, die keine Benutzerprofile benötigen.
Vermutlich einfach nur vergessen wurde eine Druckfunktion, zumindest konnte ich sie nirgends finden. Hier ist aber Hoffnung, dass ein Update diese Möglichkeit nachliefert.
Chrome als Standardbrowser unter iOS
Leider kennt iOS keine Einstellmöglichkeit für einen Standardbrowser. Websites, die aus Apps heraus geöffnet werden, kommen weiterhin in Safari an. Hier kann allerdings ein Bookmarklet weiterhelfen, über das man Websites aus Safari an Chrome weiterreichen kann:
(Dies lässt sich im mobilen Safari durch Copy+Paste des Linkziels javascript:location.href=%22googlechrome%22+location.href.substring(4);
in ein bestehendes Bookmark bewerkstelligen.)
Fazit
Die einzige Möglichkeit, wenigstens Bookmarks zwischen Chrome auf dem Mac und Safari auf den iOS-Geräten zu synchronisieren, war über Xmarks – zunächst ein Sync zwischen Chrome und Safari auf dem Mac, und dann Vertrauen auf Apples Synchronisation zwischen den Safari-Versionen. Dies funktionierte allerdings eher schlecht als recht, gar nicht oder doppelt vorhandene Lesezeichen waren an der Tagesordnung. Daher habe sogar mit der Veröffentlichung der Beta von Safari 6 auf dem Mac zwei Wochen lang Chrome ganz verlassen und nur noch Safari verwendet (wo die Synchronisation sogar einigermaßen funktionierte) – allerdings kann die neue Safari-Omnibar nicht darüber hinwegtäuschen, dass Safari, wie alle anderen Browser auch, Chrome noch um locker 1-2 Entwicklungsjahre hinterherhinkt. Alleine die Funktion, die Statusleiste am unteren Rand nur einzublenden, wenn sie auch etwas anzuzeigen hat – das kann inzwischen sogar Firefox. Dazu kommen die Benutzerprofile, die platzsparenden „Tabs on top“ und der umfangreiche Plugin-Fundus. Safari hat noch nicht mal eine richtige Suchfunktion für Plugins, bis auf AdBlock konnte ich keines meiner liebgewonnenen Plugins finden. Bleibt die Später-Lesen-Liste, die bei Safari ganz gut funktioniert – allerdings ist Instapaper hier eine Alternative, die mehr kann und dank ihrer API auch in diversen Apps direkt unterstützt wird.
Der Release von Chrome für iOS hat mich daher auch am Desktop wieder zu Chrome gebracht. Das einzige Argument gegen Chrome unter iOS neben der etwas geringeren Geschwindigkeit bleibt die nicht vorhandene Möglichkeit, ihn als Standardbrowser zu setzen. Dank dem Bookmarklet lässt es sich damit aber recht gut leben.
Chrome ist eine Universal-App für iPhone, iPod und iPad und natürlich gratis. Es ist die erste App-Store-App, die es auf meinem iPhone in das Dock schafft.
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